Am Sonnabend war ich mal wieder unterwegs. Eine Tagestour stand auf dem Plan: Magdeburg – Kostrzyn und zurück. In Kostrzyn befindet sich auf einer Insel, die zwischen Warthe und Oder liegt, die alte Festung Küstrin, die noch aus dem 16. Jahrhundert stammt. Geschützt von dieser Festung wurde die ehemalige Küstriner Altstadt.
Seit Ende des zweiten Weltkriegs gehört diese Insel zu Polen, die Grenze verläuft dann wenige Meter weiter in der Mitte der Oder. Ich verwende dennoch die deutsche Ortsschreibweise, denn als das Gebiet nach 1945 zu Polen kam, war das was dort früher stand faktisch nicht mehr existent. Die heutige Stadt Kostrzyn erstreckt sich auf dem Festland, nur wenige Häuser befinden sich auf der vorgelagerten Insel.
Und da kommen wir dann zu dem was ich dort auf der Insel erlebte oder erfühlte.
Ich kenne einige Ruinen. Ich kenne Festungsbauten, Industriebrachen, Lost Places, Burgruinen…. Und jetzt auch Küstrin. Aber nirgends hatte ich so ein bedrückendes Gefühl verspürt wie hier, denn nirgends gab es einen Grund dafür. Das was ich an Ruinen bisher kannte wurde irgendwann einfach nur aufgegeben: von Schlossherren, deren Familie ausstarb oder von pleite gegangenen Firmen oder weil, wie z.B. in Beelitz Heilstätten, die Armee das Gelände aufgab. Was ich bisher erstmals sah waren die Überreste einer Stadt, die durch Kriegseinwirkung vollends ausgelöscht wurde. Das hinterlässt ein ganz mulmiges, seltsames Gefühl. Hätte der österreichische Gefreite nicht noch im März 1945 die Stadt Küstrin zur Festung erklärt, vielleicht würden heute noch Menschen auf der Insel wohnen, man könnte das Schloss bewundern oder die Kirche. In den Straßen würden kleine Cafés zum Verweilen einladen. Nichts von dem stattdessen ist heute noch möglich. Ein sinnloser Krieg hat hier alles zunichte werden lassen.
Was man auf der Insel zu sehen bekommt, sind die Reste dessen was letztlich übrig blieb, nachdem die verwertbaren Steine dort abtransportiert wurden. Eine mehr oder weniger tote Insel. Man läuft über freigelegte Straßen, an deren Ecken (wieder) Straßenschilder stehen, beschrieben in polnisch und deutsch. Doch links und rechts der Wege stehen keine Häuser, da sind höchstes noch einzelne Treppenstufen zu den ehemaligen Hauseingängen zu sehen, oder die unteren Ebenen der Häusermauern. Über all das ist, im wahrsten Sinne des Wortes, Gras gewachsen. Und Bäume. Die Natur hat sich all das zurückgeholt was irgendwann vor einigen hundert oder tausend Jahren bereits einmal ihr gehörte.
Inzwischen hat man die Insel touristisch etwas erschlossen, auch wenn man dort anscheinend nicht von Besucherströmen erschlagen wird. Die Festungsmauern werden saniert, vieles davon ist schon fertig: mustergültig, wie man das von den Polen gewohnt ist. Im Berliner Tor ist eine Infostelle eingerichtet, im Festungsbereich nahe dem Kietzer Tor ein Museum (aus Zeitgründen nicht besichtigt).
Gerade weil jetzt in diesen Wochen so viele Menschen aus Syrien flüchten um dem dortigen Krieg zu entkommen, kann ich jedem nur raten sich Küstrin (oder zumindest meine Fotos von dort) mal mit diesem Hintergrundwissen anzuschauen und dann dürfte auch beim letzten wohl Verständnis für diese Menschen aufkommen.
Ich werde sicher nochmal hinfahren. in der Gegend gibt es noch einige andere sehenswerte Ziele. Und ihr solltet das auch mal machen.