Mein Rückblick auf das Hochwasser in Magdeburg 2013

Ich hatte am Mittwoch bereits was zum Hochwasser gebloggt. Seitdem hat sich viel getan und ich habe viel erlebt.

Mittwoch spätabends machte ich mich los zum Wissenschaftshafen. Dort war zum damaligen Zeitpunkt die zentrale Sandsackbefüllung. Gegen Mitternacht war ich dort angelangt. Rund 200 Helfer waren zu diesem Zeitpunkt vor Ort, fast alles Studenten. Sie waren es übrigens die auch in den weiteren Nächten sicherstellten, daß Sandsäcke und Bigpacks befüllt wurden.

Also knapp 3 h lang Bigpacks befüllt. Dann kurz vor drei Uhr morgens heim und geschlafen, halb sechs wieder wach gewesen. Da ich auch den Twitteraccount @magdeburg betreibe, habe ich den Account auch genutzt um aktuelle Infos zu verbreiten, zu teilen, Fragen zu beantworten usw. Große Teile des Donnerstags gingen dafür drauf, doch vormittags ruhte der Account für einige Stunden, denn von 9 bis 11.30 Uhr ging es wieder in den Wissenschaftshafen zum Sandsäcke befüllen. Das ganze bei strahlendem Sonnenschein. Da kommt man ins Schwitzen. Dann fix einem Kunden bei einem Facebookproblem geholfen, danach heim, die Lage geprüft, den Twitteraccount betreut, Informationen gegengeprüft usw.

Abends wieder in den Wissenschaftshafen. Info von der Feuerwehr erhalten, daß die Sandbefüllanlage wohl bald verlagert werden muß, da das Gelände bald überflutet wird. Mit dem Bus zum Schleinufer, dort bis gegen zwei Uhr morgens Sandsäcke gestapelt und zuschauen müssen wie der Pegel steigt und steigt.

Ein LKW vom Kampfmittelbeseitigungsdienst nahm mich mit zurück zum Wissenschaftshafen, da stand noch mein Auto. Wieder heim und dann war es bereits drei Uhr als ich Freitag morgens ins Bett fiel.

Fünf Stunden Schlaf mussten reichen. Als erstes nach dem Aufwachen gleich die Pegelstände geprüft und die Nachrichtenlage gecheckt. Twitteraccount befüllt und um 11 Uhr zur Pressekonferenz ins Rathaus. Da berichteten der OB und der Einsatzleiter des Krisenstabes Holger Platz über die aktuelle Lage. Ich twitterte live über den Magdeburg-Account und war so schneller als TV, Radio und Zeitungen. 🙂

Wieder heim gegen ein Uhr mittags und vorher nochmal das Pegelhäuschen besucht, daß inzwischen bereits per Notstromaggregat mit Strom versorgt wurde…

Tagsüber dann von daheim wieder Infos verteilt via Twitter usw. Viele Fragen kamen rein und mussten beantwortet werden. Nachmittags zur nächsten Pressekonferenz mit OB und dem Chef des Landeskommandos Sachsen-Anhalt der Bundeswehr, Oberst Körbi. Abends dann der Hilferuf der Stadt: 450 Leute werden in Rothensee benötigt. Das war gegen Mitternacht. Ich mich angezogen und nach Rothensee gefahren. Da wurden wir von der Polizei eingewiesen wo wir parken konnten. Eigentlich sollte uns ein Bus zum Hafenbecken II fahren, der kam aber nicht und wir liefen erstmal los. Dann kam uns das Wasser auch bereits einige hundert Meter später auf dem August-Bebel-Damm entgegen.

Da stand ein Bundeswehrsoldat und wusste auch nicht so recht weiter. Wir waren ca. 80-100 Leute. Kurz danach kam eine LKW-Kolonne mit Sandsäcken. Da hieß es plötzlich „Aufsitzen“! Alle rannten zu den LKWs, die Sattelauflieger wurden geöffnet, wir sprangen rein und dann fuhren die LKWs mit uns als zusätzliches Transportgut zum Hafenbecken. Da gab es bereits einen Sandsackwall, der nun verstärkt wurde.

Irgendwann gegen vier Uhr morgens erwischte ich einen Bundeswehrtransporter auf dem schon einige Helfer saßen. Ich kletterte mit auf die Ladefläche und so ging es dieses Mal per „Cabrio“ zurück. Ich hoffte nur, daß das Wasser noch nicht an meinem Auto angelangt war, hatte aber Glück.

Da sah ich auch die ganzen Straßenbahnen, denn auch der Betriebshof Nord war in Gefahr und musste nun evakuiert werden. Westerhüsen war Tage zuvor bereits evakuiert worden und so hat die MVB seit Sonnabendmorgen keinen Betriebshof mehr.

Inzwischen waren auch Talisa und Werner aus dem Rhein-Main-Gebiet in Magdeburg zur Hilfe eingetroffen. Wir verabredeten uns an der neuen Sandsackbefüllung in der Virchowstraße.

Inzwischen graute der Sonnabendmorgen herauf. Wir schaufelten Sand gemeinsam mit zahlreichen Studenten. Gegen zehn waren die beiden fortgefahren, sie hatten wen gefunden dem sie ihr mitgebrachtes Notstromaggregat ausleihen wollten. Ich machte dann gegen 11 Uhr mittags ne Pause, inzwischen war ich 27 Stunden auf den Beinen.

Als ich mich dann auf ne Treppe setzte und bissel zur Ruhe kam, da rollten dann einfach so die Tränen.

Ich ging dann heim, Talisa und Werner kamen auch und dann hieß es Mittagsschlaf machen. Gegen halb vier, nach 3,5 h Schlaf war der zu Ende. Wir gingen was essen und zogen dann wieder los. Ich wieder in die Virchowstraße, die anderen beiden dann in die Listemannstraße an die andere Sandbefüllanlage. Von dort fuhren sie dann mit Werners Auto und dessen Anhänger Sandsäcke durch die Gegend.

Ich blieb in der Virchowstraße, fuhr Sand mit der Schubkarre rum, stapelte Sandsäcke…

Gegen 22 Uhr ging ich heim, ich brauchte Schlaf. Viertel zwei kam Talisa heim, ich ging dann los zum Werder, wo ich an der Zollstraße nochmal half Sandsäcke zu verbauen. Gegen halb vier dann zur Listemannstr. Da traf ich dann Werner, wir fuhren zu mir und dann nochmal schlafen. Sonntag morgen dann halb neun aufgewacht, Lage geprüft und dann los. Die beiden wieder zur Listemannstraße und ich in die Virchowstraße. Hier blieb ich bis 19.30 Uhr und lud die ganze Zeit leere Europaletten von LKWs ab, stapelte diese und sortierte kaputte aus. Die wurden dann von anderen Leuten repariert.

Beim abladen knallte ich mir dann eine Europalette auf den linken großen Zeh. Der „Tanz“ muß wohl toll ausgesehen haben, wurde aber zum Glück nicht gefilmt. Ich humpelte in die Verbandsstation und die Diagnose lautete Bluterguss. Naja, er ist jetzt mächtig blau und tut noch bissel weh. Aber egal. Nach ner Zwangspause dadurch ging es danach aber weiter.

Als Talisa und Werner abreisen wollten, machte ich Feierabend und ging heim. Das war gegen 19.30 Uhr. Ruhte mich als die beiden dann weg waren nochmal aus, ging nochmal zur Virchowstraße, die Europalettenannahme war aber geschlossen und es gab für die Helfer gerade eine Zwangspause, damit erstmal alles verladen werden konnte, was abgefüllt worden war.

Ich ging dann wieder heim. Da war es Sonntag gegen 22.30 Uhr. Da war der Pegel dann seit zehn Stunden wieder langsam am Sinken.

Es war ne verdammt harte Zeit. Wo ich die Kraft her nahm weiß ich nicht. Ich habe da ganz schmächtige Mädels schwere Schubkarren schieben sehen, ich habe Rentner gesehen die belegte Brötchen brachten, weil sie selbst nicht mehr aktiv anpacken konnten. Ganze Familien halfen gemeinsam mit.

Ich habe mit dem hiesigen CDU-Kreisvorsitzenden geplaudert, als wären wir seit Jahren die besten Freunde. Dabei war unser Verhältnis bisher eher sehr distanziert. Sowas zählt in so einer Situation alles nicht.

Mein DANKE geht natürlich an die Bundeswehr, an das THW, Feuerwehr, DLRG, DRK und die anderen Hilfsorganisationen. Aber auch an die zahlreichen Helfer aus nah und fern, z.B. die 50 Mann starke Truppe der SPD Berlin, die in Rothensee mit anpackte oder die 150 aus Braunschweig per Bus angereisten Eintracht-Fans.

Aber das DANKE geht an die vielen Leute im Hintergrund: die Fahrplantechnologen der MVB, die sich auf immer neue Streckensperrungen einstellen mussten, an die vielen Brötchenschmierer, Kaffeekocher, Köche, Bratwurstgriller, die all die Helfer mit Essen und Trinken versorgten.

Noch mehr Fotos gibt es hier und hier.

9 Comments

  1. Witali Zener

    Respekt für so viel Einsatz! In Notsituationen sieht man erst, wie viel ein Mensch leisten kann. Grüße nach Magdeburg

  2. Matthias M. Meringer

    Nicht schlecht. Respekt.

    Du weißt, dass ich gerne querdenke. Was wäre gewesen, hätte es keine derart vielen freiwilligen Helfer gegeben? Denn deren Einsatz ist erstens nicht selbstverständlich und zweitens ist es nicht die Aufgabe von Privatpersonen, sich um fremdes oder Staatseigentum zu kümmern. Würdet ihr im MD nun allesamt schwimmen?

    • Für mich, wie auch für viele andere, ist es selbstverständlich zu helfen. 2002 war ich dafür von Frankfurt nach Magdeburg gefahren, obwohl mir mein Chef kein frei geben wollte.

      Was wäre wenn: nun die ostelbischen Gebiete wären eventuell abgesoffen, das hätte rund 23.000 Einwohner (gut 10 % der Stadt) betroffen. Auf meiner Elbseite hätte es sicher größere Schäden in Rothensee gegeben (die jetzigen dürften schon groß genug sein dort – Industriegebiet mit 10.000 Arbeitsplätzen wurde überschwemmt) und auch in Buckau, Salbke, Fermersleben und Westerhüsen hätte es sehr viel schlimmer kommen können.

      Sehr große Teile der Stadt, die gesamte Innenstadt, Stadtfeld, Sudenburg, Diesdorf, Olvenstedt usw. wären aber auch dann nicht betroffen gewesen. Dazu hätte die Elbe noch mindestens weitere 10 Meter steigen müssen.

  3. Matthias M. Meringer

    Nicht schlecht. Respekt.

    Du weißt, dass ich gerne querdenke. Was wäre gewesen, hätte es keine derart vielen freiwilligen Helfer gegeben? Denn deren Einsatz ist erstens nicht selbstverständlich und zweitens ist es nicht die Aufgabe von Privatpersonen, sich um fremdes oder Staatseigentum zu kümmern. Würdet ihr im MD nun allesamt schwimmen?

    • Für mich, wie auch für viele andere, ist es selbstverständlich zu helfen. 2002 war ich dafür von Frankfurt nach Magdeburg gefahren, obwohl mir mein Chef kein frei geben wollte.

      Was wäre wenn: nun die ostelbischen Gebiete wären eventuell abgesoffen, das hätte rund 23.000 Einwohner (gut 10 % der Stadt) betroffen. Auf meiner Elbseite hätte es sicher größere Schäden in Rothensee gegeben (die jetzigen dürften schon groß genug sein dort – Industriegebiet mit 10.000 Arbeitsplätzen wurde überschwemmt) und auch in Buckau, Salbke, Fermersleben und Westerhüsen hätte es sehr viel schlimmer kommen können.

      Sehr große Teile der Stadt, die gesamte Innenstadt, Stadtfeld, Sudenburg, Diesdorf, Olvenstedt usw. wären aber auch dann nicht betroffen gewesen. Dazu hätte die Elbe noch mindestens weitere 10 Meter steigen müssen.

  4. Grashalm GrünGlück (@KURHOF)

    Du hast ganz schön viel erlebt.
    In was für ner Art von Gesellschaft oder Staat …befandeste Dich vorher… und wo/ wie findest Dich jetzt so?
    Du hast sehr gut das Nachbarschaftlich-NEBENEINANDER beschrieben, was ein gutes Ende des GegenEinander ist,
    doch entstand dadurch auch ne MITeinander-Kompetenz?

    • Da hat sich bei mir nichts geändert. Vielen Menschen fehlt irgendwie nur die Gelegenheit zu zeigen wie sie wirklich sind. Ich habe auch 2002 erleben dürfen wie Neonazis in Springerstiefeln friedlich neben Ausländern Sandsäcke befüllt haben. Gibt man den Menschen eine sinnvolle Aufgabe, dann steht alles andere hintenan. Es fehlt nur an Leuten die anderen zeigen wie sie sich sinnvoll einbringen können.

  5. Grashalm GrünGlück (@KURHOF)

    Du hast ganz schön viel erlebt.
    In was für ner Art von Gesellschaft oder Staat …befandeste Dich vorher… und wo/ wie findest Dich jetzt so?
    Du hast sehr gut das Nachbarschaftlich-NEBENEINANDER beschrieben, was ein gutes Ende des GegenEinander ist,
    doch entstand dadurch auch ne MITeinander-Kompetenz?

    • Da hat sich bei mir nichts geändert. Vielen Menschen fehlt irgendwie nur die Gelegenheit zu zeigen wie sie wirklich sind. Ich habe auch 2002 erleben dürfen wie Neonazis in Springerstiefeln friedlich neben Ausländern Sandsäcke befüllt haben. Gibt man den Menschen eine sinnvolle Aufgabe, dann steht alles andere hintenan. Es fehlt nur an Leuten die anderen zeigen wie sie sich sinnvoll einbringen können.

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