Vor kurzem echauffierte sich die Zeitung „Junge Welt“ über einen Stundenlohn von 2,75 € in einem Magdeburger Geschäft für die Verkäuferinnen. Auf den ersten Blick klingt das Gehalt wirklich verdammt niedrig, was es auch ist, aber sobald man sich in die Thematik mal tiefer einliest, stößt man auf das eigentliche Problem.
Es handelt sich dabei um einen Arbeitsvertrag mit 14,9 h / Woche und einem Monatsgehalt von 165 Euro. Als ich die Stundenzahl las, da war mir sofort klar, wo das eigentliche Problem liegt. Diese Stundenzahl ist die übliche für einen sogenannten 400 €-Job.
Was ist ein 400 €-Job?
Der 400 €-Job ist im Ursprung eine ganz gute Geschichte, sofern man zur richtigen Zielgruppe gehört. Geschaffen wurde er in erster Linie für Personen die neben ihrem Hauptjob noch etwas dazuverdienen wollen ohne gleich mit Lohnsteuerklasse VI bestraft zu werden sowie für Leute die aus verschiedenen Gründen keinen Anspruch auf ALG I oder ALG II haben.
Für diese beiden Zielgruppen ist ein 400 €-Job ideal. Der Arbeitnehmer erhält die 400 € abzugsfrei ausbezahlt, nur der Arbeitgeber zahlt pauschal 30 % Sozialversicherungsbeiträge.
Jetzt gibt es jedoch noch eine dritte Zielgruppe die immer häufiger einen solchen Minijob annimmt: Empfänger von ALG I bzw. ALG II. Beide dürfen sich pro Monat 165 € anrechnungsfrei hinzuverdienen, alles was drüber liegt wird automatisch vom ALG I/II gekürzt.
Was bedeutet das für den hier vorgestellten Fall?
In dem o.g. Fall hätten die Verkäuferinnen KEINEN Vorteil davon, wenn der Arbeitgeber ihnen 400 € zahlen würde. Die 235 € mehr würden nämlich komplett auf das ALG I/II angerechnet werden, es würden weiterhin nur 165 € mehr im Monat auf dem Konto sein. Für den Arbeitgeber würden dadurch höhere Kosten entstehen, für den Sozialversicherungsträger niedrigere Kosten und höhere SV-Einnahmen, der Arbeitnehmer selbst hätte aber gar nichts davon. Selbst bei 400 € monatlich und einer geringeren Stundenzahl würde sich lediglich kalkulatorisch der Stundenlohn erhöhen, doch mehr auch nicht.
Somit verdienen nicht nur die Verkäuferinnen in dem hier vorgestellten Fall rund 2,75 € / Stunde, sondern faktisch ALLE ALG I/II-Bezieher die einen 400 €-Job haben. Das Problem ist also von staatlicher Seite hausgemacht. Hier nur mit dem Finger auf den Arbeitgeber zu zeigen ist daher falsch. Da muß an anderer Stelle drüber nachgedacht werden, wie man die Lage der Arbeitnehmer verbessern kann.
Man kann natürlich darüber streiten ob die Art und Weise des Arbeitgebers hier rechtlich wie auch moralisch okay ist, das eigentliche Problem für den Arbeitnehmer wird dadurch aber nicht gelöst. Letztlich zahlt der Arbeitgeber im hier betrachteten Fall den Arbeitnehmer nur das aus, was ihnen real wirklich übrig bleiben würde.
Für die Sozialversicherungsträger sind 400 €-Jobs von ALG I/II-Empfängern übrigens ein gefundenes Fressen. Hier mal ein Rechenbeispiel:
400 € Monatsgehalt
+120 € pauschale SV-Beiträge
=520 € Gesamtkosten für den Arbeitgeber
Die Sozialversicherungsträger bekommen davon nicht nur die 120 €, nein es werden auch noch 235 € der ALG-Bezüge gekürzt. Zusammen macht das 355 €, das sind mehr als 68 % der Gesamtsumme.
In der Gesamtheit betrachtet, sollte man sich grundsätzlich mit der Thematik 400 €-Jobs für ALG I/II-Empfänger von seiten des Gesetzgebers her beschäftigen. Doch ob dies in naher Zukunft passieren wird, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.